Saubere Luft führt zu wärmeren Sommern in Europa

Veröffentlicht von Ingrid Voigtmann am

Eine neue Studie der ETH Zürich kommt zu erstaunlichem Untersuchungsergebnis bei Klimamodellen

Ausgerechnet der Umweltschutz sorgt dafür, dass es in Europa wärmer wird, als die Modelle bisher vorhersagen. Denn die saubere Luft führt zu stärkerer Sonneneinstrahlung, sagen jetzt Schweizer Forscher.

Die Luftverschmutzung hat in den vergangenen Jahren weltweit merklich abgenommen. Für die körperliche Gesundheit ist das eine gute Nachricht, bezüglich Klimawandel sieht das Ganze aber etwas anders aus.

Was auf den ersten Blick unlogisch wirkt, ergibt bei genauerem Betrachten durchaus Sinn. Als Beispiel kann etwa die Verbrennung von Kohle oder Benzin herangezogen werden. Diese erzeugt Treibhausgase, die den Klimawandel vorantreiben.

Kühlender Einfluss reduziert

Gleichzeitig werden dabei aber auch Schadstoffpartikel, sogenannte Aerosole, freigesetzt, die das Sonnenlicht reflektieren und den Planeten abkühlen, wodurch ein Teil der Erwärmung ausgeglichen wird.

Durch die Verbreitung von neuen Technologien, etwa zur Abgasreinigung, wurden über die vergangenen Jahre jedoch die ausgestoßenen Schadstoffmengen geringer und damit auch ihr kühlender Einfluss auf den Planeten.

Das macht sich besonders in Europa bemerkbar, wo sich die Sommer seit den 1980er-Jahren schneller als in jeder anderen Region weltweit erwärmen und in den Monaten Juni bis August zu einem Anstieg der Temperaturen um rund 2,3 Grad geführt haben. Die sauberere Luft verstärkte die Erwärmung dabei um 0,5 Grad.

Die meisten globalen Klimamodelle hielten diese Entwicklung problemlos und fehlerfrei fest. Nicht so jedoch die Modelle, die sich auf bestimmte Regionen beziehen. Eine Studie des Instituts für Atmosphäre und Klimawissenschaften der ETH Zürich hat diesbezüglich nun einen erstaunlichen Befund gemacht.

Demnach wird die gemessene starke Sommererwärmung in West- und Mitteleuropa in den meisten regionalen Klimamodellen nicht richtig erfasst. Die simulierte Erwärmung fiel in den meisten Modellen nämlich um einiges schwächer aus. «Die Modelle hinken der tatsächlichen Erwärmung knapp 15 Jahre hinterher», sagt Domink Schumacher, Hauptautor der Studie.

Der Grund für den Unterschied: Im Gegensatz zu globalen Klimamodellen, die die Änderungen in den Aerosolkonzentrationen berücksichtigen, kamen bei regionalen Modellen der Einfachheit halber mehrheitlich konstante Konzentrationen zum Zug. Dass diese in der Realität jedoch alles andere als konstant sind, wurde dabei nicht berücksichtigt.

Dies führte im Anschluss dazu, dass die Effekte der Aerosolkonzentration insbesondere in den Sommermonaten mit starker direkter Sonneneinstrahlung unterschätzt wurden. «Die Ergebnisse zeigen, dass die projizierte Erwärmung in der Schweiz und umliegenden Ländern bisher unterschätzt wurde und dass die Auswirkungen des menschenverursachten Klimawandels hier deutlich schwerwiegender sein werden als bisher angenommen», sagt Sonia Seneviratne, Mitautorin der Studie und Vorstandsmitglied des Weltklimarates IPCC.

Künftige Modelle müssen Entwicklung berücksichtigen

Besonders nützlich könnten sich die gewonnenen Erkenntnisse nun für jene Regionen erweisen, in denen noch immer eine starke Luftverschmutzung herrscht. Die Autoren der Studie empfehlen daher, dass man künftig bei der Erstellung von regionalen Klimamodellen die Entwicklung der Aerosole berücksichtigen müsse.

Die Forscher haben auch Klimaszenarien berechnet, die von hohen Treibhausgasemissionen ausgehen und langfristige Aerosolveränderungen berücksichtigen und dabei für die Periode von 1980 bis 2099 festgestellt, dass Hitzewellen in Europa um weitere zwei Grad ansteigen könnten.

Treibhausgas Methan soll reduziert werden

Eine Frage, die sich nun manche stellen dürften, ist, ob sich denn Lufthygiene und Klimaschutz gegenseitig ausschließen. Dem ist gemäß den Forschern nicht so. «Der Rückgang von Aerosolemissionen aufgrund von Luftreinemaßnahmen ist aus gesundheitlicher Sicht äußerst wünschenswert, weil diese weltweit jährlich zu 4,2 Millionen verfrühten Todesfällen führen», so Mitautor Erich Fischer.

Die Problematik um den kurzfristigen Effekt einer Erwärmung durch die Verringerung von Aerosolen ist auch beim Weltklimarat IPCC oben auf der Agenda. Gemäß dem Gremium soll gleichzeitig mit der verbesserten Luftqualität auch das Treibhausgas Methan stärker reduziert werden, was zu einer Abkühlung führen könnte.

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